Content is King
“Content is king”stammt nicht von Bill Gates
Im folgenden Artikel werde ich zeigen, dass Bill Gates nicht der erste war, der den Begriff „Content is king“ verwendet hat.
„Content is king“: Dieses Credo wurde nicht erst 1996 von Bill Gates im gleichnamigen Essay erfunden.
Was kaum jemand weiß: Bereits im Jahr 1963 hat sich der amerikanische Mediziner Leo L. Leveridge, M.D. in einem Fachartikel ausführlich mit der Devise „Content is king“ beschäftigt. 33 Jahre vor Gates und lange vor dem Siegeszug des Internets. Warum wird das Zitat aber dennoch fast immer Microsoft-Gründer Bill Gates zugeschrieben?
Die Sache ist die: Als Leverdige seinen Artikel schrieb, war das World Wide Web noch kein Thema. Der Begriff ‚Content‘ wird heute aber nun mal meist im Kontext von Internet, Social Media und Marketing verwendet. Wie so oft geht es auch hier nicht zwangsläufig darum, wer etwas als erster geschrieben hat.
Sondern vielmehr darum, in welchem Zusammenhang die Aussage getätigt wurde. Und auf wie viel Resonanz sie trifft. Was hier auch nicht vergessen werden darf: Leveridge veröffentlichte seinen Artikel 1963 in einer medizinischen Fachzeitschrift, die sich naturgemäß an einen sehr überschaubaren Leserkreis richtet; Bill Gates publizierte seinen Essay hingegen 1996 auf der Webseite von Microsoft.
Gary Vaynerchuk würde hier wohl sagen: Content is king, but Context is God.
Während sich Leveridge auf die Qualität des Contents konzentrierte, rückte Gates die Distribution in den Vordergrund. Eine Synthese dieser beiden Positionen liefert hingegen dieses wenig bekannte Zitat des Medienmoguls Sumner Redstone: „Content is king, but let’s say distribution is at least near prince.“ (Anm.: das Zitat habe ich aus diesem Video transkribiert.)
Und aller Wahrscheinlichkeit nach war es auch Redstone, der die ikonische Redewendung erfunden hat.
Aber sehen wir uns die Sache doch einmal genauer an …
„Content is king“ – tatsächlich?
Der Essay „Content is king“ von Gates wird häufig als ein Manifest für Content oder als Plädoyer für qualitätvolle Inhalte bezeichnet. Wer nur die Überschrift liest, könnte das auch annehmen. Aber geht es im Essay von Bill Gates tatsächlich in erster Linie um Inhalte? Die Antwort lautet „Nein“.
Im Vergleich zum Artikel von Leveridge werden Sie im Essay von Gates nämlich verblüffend wenig Konkretes dazu finden, was aus seiner Sicht qualitätsvollen Content ausmacht. Gates zielt stattdessen stark auf die damals noch bestehenden technischen Hürden (Stichwort 56k-Modem) für die Monetarisierung und Distribution von Content und Werbung im Internet ab.
Gates beschäftigt sich in „Content is king“ u.a. mit Themen wie:
- Usability (Benutzbarkeit)
- Ladezeit der Website
- Bezahlmöglichkeiten im Internet
- Interaktivität
- UX insgesamt (User experience, also die Nutzererfahrung)
“Content is king” – Leo L. Leveridge
Abb. oben: Screenshot des Abschnittes ‘Content is king’ aus dem 1963 erschienenen Artikel Films for Medical Education von Leo. L. Leveridge, M.D.
Fotoquelle: Google Books
„Content is king“ – many medical films are worth showing, when nothing about them is satisfactory except the content. Conversly, when the content is insignificant, the finest production skills do not make a motion picture worthy of showing. Therefore, content is the most important part to be evaluated. („Content is king“ – viele medizinische Filme sind es wert, gezeigt zu werden, wenn nichts an ihnen zufriedenstellend ist, außer den Inhalten. Ist andererseits der Inhalt nicht bedeutsam, dann machen auch die feinsten Kniffe bei der Produktion ihn nicht zeigenswert. Deshalb ist der Inhalt der wichtigste Bestandteil, den es zu evaluieren gilt.“
The film user must determine whether it is up-to-date and valid. Also to be considered are the scientific importance of the subject, bias, errors in emphasis, unproved claims, misinterpretations and incorrect conclusions.“
Quelle: Leveridge, Leo L. M.D., C.M. Films for Medical Education. In: Toward improved learning. A collection of significant Reprints for the Medical Educator. United States. Public Health Service. Audiovisual Facility · 1967 Reprinted from the Journal of Medical Education, April, 1963, vol. 38, pp. 307-314
Leveridge und seine Qualitätsansprüche an medizinischen Content:
- Informationen am neusten Stand
- Stichhaltigkeit
- beweisbare Behauptungen (Quellangaben, bzw. Links)
- nachvollziehbare Interpretationen
- richtige Schlussfolgerungen
Fazit: Die Contentkriterien von Leveridge ähneln zudem jenem Qualitätsstandard für Content, den Google heute auch für sogenannten YMYL (Your money, your life)-Themen anstrebt. Nicht nur wenn es um medizinische Themen geht, würden die von Leveridge definierten Qualitätskriterien für Content auch gut in die Google Quality Rater Guidelines passen. Was seinen Content-Begriff angeht, ist Leverdige in dieser Hinsicht also um einiges moderner als Gates.
Die Content-Synthese: Sumner Redstone
Medienmogul Sumner Redstone: (…) „The phrase ‚content is king‘ is a phrase I originated, it’s mine. Content will always be king. And branded content like the brands we have will always reign supreme. People don’t watch CBS, they watch what’s on it. They watch ‚Survior‘, they watch the ‚Bette Midler Show‘. They watch the NFL Superbowl, they watch Tiger Woods. They don’t watch distribution, they watch what’s on it. (…) But this doesn’t mean I denigrate distribution. (…) Content is king, but let’s say distribution is at least near prince. (…).“
Eigenes Transkript eines Teils aus diesem Video einer Veranstaltung der Boston University mit Sumner Redstone aus dem Jahr 2007.
Sucht man auf Google Books nach dem Begriff „Sumner Redstone + Content is king“ dann findet man einige Artikel rund um das Jahr 1995. Zur Erinnerung: Gates hat seinen Essay erst 1996 veröffentlicht.
In der Beschreibung zu oben zitiertem Video heißt es zudem, Redstone sei „Best known for his mid-1990s statement „Content is king“.
Wir dürfen also mit Recht annehmen: Sumner Redstone hat die Phrase „Content is king“ bereits vor Bill Gates verwendet.
Aber: In einer Rede zur Vorstellung von Sumner Redstone bemerkte die Rektorin der Universität Boston hingegen, dass Redstone die Aussage „content is king“ schon „früh in seiner Karriere“ getätigt habe.
Wenn es stimmt, dass der 1923 geborene Redstone die Redewendung „Content is king“ schon früh in seiner Karriere verwendet hat, dann war indirekt vielleicht auch er es, der Leo L. Leveridge 1963 zur Verwendung dieses Credos in seinem Artikel inspiriert hatte.
Gates griff 1996 damit also bloß auf eine Idee zurück, die in anderen Kontexten schon seit Jahrzehnten verwendet wurde.
Das Rätsel um den Ursprung von ‚Content is king‘ wäre damit wohl gelöst.
Content Marketing
Der Essay von Gates mit dem Titel „Content is king“ ist nicht bloß eine geläufige Redewendung. Im Marketing ist dieser Satz für viele ein Glaubensbekenntnis. Kaum eine Agentur, die sich diesen Satz nicht als Leitspruch ihres Content Marketings gewählt hat. Und zwar in verschiedenen Bereichen wie Online Marketing, Content Marketing oder im E Mail Marketing.
Die Bedeutung, die Inhalten mit Qualität zukommt, hängt dabei natürlich auch von der Content Strategie des Unternehmens ab.
Content Marketing zielt grundsätzlich darauf ab, Inhalte zu produzieren, die User ansprechen. Das wird auch als Inbound Marketing bezeichnet, weil die Kunden quasi „von selbst“ zum Unternehmen kommen.
Kurz: Content Marketing will mit (selbst) produzierten Inhalten neue Kunden oder Interessenten zu gewinnen und ist oft Teil des Online Marketings.
Ein Königreich für ein wenig Originalität
Ist das Internet noch ein „Marktplatz der Ideen“, bei dem es auf die Inhalte ankommt? Gerade im Suchmaschinenmarketing wird der Erfolg von Content nicht zwingend allein anhand des Gebotenen gemessen.
Leverdige, Sumner und Gates gingen in erster Linie von einem menschlichen Publikum aus. Es gibt aber heute eine neue, sehr attraktive Zielgruppe: Suchmaschinen. Hier schaut so manche Agentur oft weniger auf den Inhalt, als vielmehr auf das Ranking. Sprich die Platzierung bei Suchmaschinen wie Google.
Reverse engineering von Content ist hier eine beliebte Strategie. Im schlechtesten Fall heißt das nichts anderes, als das nachzuahmen, was ohnehin schon funktioniert. Erfolg ist hier nicht mehr, originelle und nützliche Inhalte zu produzieren, sondern das „nachzukochen“, was den Suchmaschinen schmeckt.
Suchmaschinen wie Google bestimmen das Ranking
„Ranking“ ist die Position in der Reihung der Ergebnisse auf der Ergebnisseite (Search engine result page, SERP) einer Suchmaschine . Je weiter oben „above the fold“ und je prominenter, umso besser. ‚Content‘ für eine Website wird nicht selten in erster Linie wegen dieser Rankings erstellt. ‚Content‘ bezieht sich in diesem Fall auf die Inhalte nicht nur einer Homepage, sondern der gesamten Website.
‚Content‘ kann je nach Definition aber auch viele andere Formen haben: Was wäre etwa der Fernseher ohne Programm, das Fotoalbum ohne Fotos, das Buch ohne Buchstaben, die Hardware ohne Computer-Software?
Was will der Nutzer sehen?
Früher war ‚Content‘ oft in einen fixen Rahmen mit ebenso fixen Zeiten eingebettet. Denken wir an die bereits erwähnten Medien Radio, Fernsehen oder Print. Heute hat der User hingegen nicht nur mehr Freiheiten, sondern auch eine vermeintlich klarere Vorstellung davon, was er sucht. Seine Intention muss die Suchmaschine verstehen.
Es ist eine Sache zu sagen, was beliebt ist. Was beliebt ist, aber muss nicht zwangsläufig von hoher Qualität oder gar sonderlich originell sein. Das ist auch gar nicht immer notwendig. Recht logisch ist auch eines: wenn ich mich immer nur darauf konzentriere, die Fragen zu beantworten, die Menschen schon gestellt haben, wird es schwer, etwas Neues zu finden.
Allerdings: rund 15% der Fragen, die Suchmaschinen wie Google pro Tag erhalten, sind völlig neu!
Was aber ist die beste Antwort? Jene, die bei Google am weitesten oben steht?
Text ist immer noch die Hauptform von Content
Der Großteil des Contents auf den meisten Websites besteht aus Text. Er transportiert im Regel die meisten Informationen. Content kann aber, wie schon erwähnt, auch ein Bild sein, oder Audio-Inhalte wie ein Podcast, oder ein Video. ‚Content‘ ist also ein ziemlich weiter Begriff: Für manche umfasst er tatsächlich alles, was man in ein Medium packen kann.
Denken wir z.B. mal an einen Blog. Ein Blog ist eine Art von Tagebuch im Internet. Mittlerweile gibt es auch sogenannte Mikro-Blogging-Dienste wie etwa Twitter.
Diese Seite „müssen“ mit Content, also mit Inhalten, gefüllt werden. Das sind oft Dinge, die von Amateuren gemacht werden. Schlecht muss das nicht zwangsläufig sein. Gary Vaynerchuk etwa rät etwa dazu, eine „Personal Brand“ aufzubauen, also sich selbst zur „Marke“ zu machen.
Hier liegt die Unverwechselbarkeit und Qualität erstmal darin, man selbst zu sein.
Social Media oder gar eine Content Marketing Strategie? Das konnten weder Leveridge, Redstone noch Gates auf dem Radar haben.
Fazit
Leveridge vertritt die Überzeugung, dass das Medium nicht mehr ist als die Inhalte, die transportiert werden. Ihm geht es um die Aussage und den Informationsgehalt.
Etwas boshaft könnte man sagen, dass es heute im Online Marketing genau umgekehrt zugeht: Texte werden oft nach Kriterien erstellt, die zwar dem Medium gerecht werden sollen, dem Leser aber nicht immer dienlich sind.
Inhaltliche Parallellen zwischen den Artikeln von Leverdige und dem eher distributions-orientierten Gates gibt es allerdings in zwei Punkten: Informationen sollen vertieft und up-to-date sein.
Sumner Redstone stellte treffend fest: „People don’t watch distribution“. Nein, Nutzer wollen unterhalten, informiert oder überrascht werden. In diesem Sinne: Danke, dass Sie diesen Artikel bis zum Ende gelesen haben. Ich hoffe, dass er ihre Zeit wert war.
Dieser Artikel wurde am 06.04..2024 veröffentlich und wird bei Bedarf aktualisiert.
Bei Fragen oder Kommentaren zu diesem Artikel, können Sie mich gerne über meine Kontaktseite erreichen.
Alexander Ujcik
Autor
Alexander Ujcik ist PR-Berater, der sich auf das Erstellen authentischer Website und SEO spezialisiert hat. Er hat über 20 Jahre Erfahrung in der Öffentlichkeitsarbeit. An dieser Stelle teilt er seine Gedanken zu SEO-Themen.
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